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Züchterportrait: Christian Back von Timo Harr

Ende Januar war es endlich so weit und der längst überfällige Besuch bei Christian Back wurde wahr. Christian und ich starteten schon einige Versuche um einen Termin zu finden. Wie es dann so ist, wenn man einen Termin gefunden hat, kommt meist noch ein zweiter hinzu. Bei der Fahrt zu Christian gab es in Jettingen noch einen Zwischenstopp, um die im Juni anstehende Süd-West-Schau mit IG Tagung zu besprechen. Von Jettingen aus erreichte ich die Gemeinde St. Leon-Rot, die sich ca. 20 km südlich von Heidelberg befindet, nach gut einer Stunde Fahrt.

Die Begrüßung war wie erwartet herzlich. Bei Kaffee und Gebäck sprachen wir zunächst über alles Mögliche, natürlich auch über die Zucht. Christian erzählte mir vor allem von seinem Zuchtverlauf der letzten Jahre. Zu Beginn hatte er eigentlich keine ehrgeizigen Ziele in diesem Hobby verfolgt. Schon als Kind galt seine ganze Aufmerksamkeit den Tieren, so dass er schon zu seinem 3. Geburtstag den ersten „Hansi“ geschenkt bekam. Das Züchten von Wellensittichen an sich und speziell die einzigartige Farbenvielfalt und Charaktereigenschaften dieses neugierigen Australiers hatten ihn schon im Alter von 10 Jahren fasziniert. Obwohl er mit 35 Jahren wie ich zur jüngeren Züchtergeneration zählt, bekam er schon mit 17 Jahren den ersten Kontakt mit Schauwellensittichen und zur AZ-DWV Ortsgruppe Karlsruhe durch seinen damaligen Zuchtfreund Marc Zieher, den vielleicht einige „alte Hasen“ unter den WS-Züchtern noch kennen. Was in Karlsruhe mit einem spontanen Besuch einer Versammlung unter Schauwellensittichzüchtern begann, wurde aus heutiger Sicht betrachtet mit wachsender Begeisterung für diese Schauvögel im Laufe der Zeit vom Hobby zur Leidenschaft.
Während er sich viele Jahre eher unter sehr bescheidenen Platzverhältnissen, aber mit guten Ausgangsvögeln überwiegend aus den Reihen der eigenen OG-Mitglieder langsam in die einzelnen Züchterstufen hochgearbeitet hatte, bekam seine Zucht einen entscheidenden Wendepunkt mit dem Ausbau seiner Anlage. Nach dem Motto „wenn ich weitermache, dann aber richtig“, änderte er auch sein Konzept vor einigen Jahren, indem er fast seine gesamte Freizeit in das Hobby steckte. In seine alte Linie nahm er außerdem neue Ausgangsvögel in die Zucht, die unter anderem ihren Ursprung aus Vögeln der Zuchten von Santos/Kanzler hatten. Mit der Übernahme eines ganzen Bestandes aus diesen Linien im Jahre 2005 ergaben sich damals unwissend für seinen Gesamtbestand allerdings so enorme Schwierigkeiten, dass er sich zeitweise sogar mit der Aufgabe seiner Zucht Gedanken machte. Aus der Kombination einer hellblauen Henne von sehr gutem Typ aus dieser Übernahme verpaart mit einem seiner besten alten, grauen Hähne, erhielt er aber 1 Jahr später einige Jungvögel von außergewöhnlicher Qualität, wie er sie bisher noch nicht gezüchtet hatte. Aus diesen Wurzeln kann mittlerweile fast sein gesamter Bestand zurückblicken, woraus nicht zuletzt der Europasieger 2009 abstammte. Was Christian damals dazu bewegt hatte nicht aufzugeben, waren sicherlich auch Gespräche und Unterstützung von seinen Zuchtfreunden, allen voran Tibor Gyerko aus Budapest, und die Motivation aus den Versammlungen aus der Ortsgruppe Karlsruhe, in der er mittlerweile das Amt des ersten Vorsitzenden begleitet.

Seine Zuchtanlage lässt sich wie folgt beschreiben. In einem hellen, etwa 35 m² großen Raum, welcher im Erdgeschoss liegt, befinden sich 32 Zuchtboxen, zwei fahrbare Volieren zum Absetzen der Jungvögel und eine geräumige Innenvoliere. Die komplette Anlage besteht aus Elementen der Fa. Oesig und bietet den Vögeln genügend Platz. Die Nistkästen sind wie die Zuchtboxen aus Kunststoff und lassen sich somit leicht reinigen und desinfizieren. Eine im Zuchtraum installierte Staubsaugeranlage erleichtert die Arbeit ungemein gegen den größten Feind, den Vogelstaub.
Die Fütterung unterscheidet sich bei Christian von anderen Züchtern vor allem dadurch, dass er kaum Quell- oder Keimfutter reicht. Da der Wellensittich ein Wüstenbewohner ist und Wasser der perfekte Träger für Krankheitserreger darstellt, achtet er auch bei seinem hergestellten Aufzuchtfutter auf eine möglichst geringe Eigenfeuchte. Die Vögel bekommen neben einer normalen WS-Mischung ständig viel Kolbenhirse und sobald die Jungvögel zusammen mit den Altvögeln in die Voliere zusammengebracht werden je nach Bedarf zusätzlich trockenen Nackthafer als Kraft- oder „Mast“-futter angeboten. Sein Aufzuchtfutter besteht aus gekochten Eiern und/oder fein gemixtem Gemüse, dem noch etwas Öl, eine getrocknete Kräutermischung, Haferflocken, sowie ein handelsübliches Eifutter v.a. „zur Trocknung“ untermischt wird. Wesentlich wichtiger als die Gabe von zu vielen künstlichen Multivitamin- oder Proteinpräparaten, sieht er in der Gabe von ausreichend Grit und Mineralsand zur Verdauung der Vögel. Außer dem Grit liefern Sepiaschalen, Jodsteine und Futterkalk zudem die notwenigen Mineralien und Spurenelemente.

Da Christian in der Regel schon nach dem Europachampionat Ende August die ersten Verpaarungen vornimmt und deshalb die meisten seiner Paare schon im Dezember die 2. Runde abgeschlossen hatten, waren zum Zeitpunkt meines Besuchs überwiegend neue Verpaarungen zusammengestellt, die schon wieder fleißig am Brüten waren.
Während die letzten beiden Jahre bei ihm nicht zuletzt wegen der doch unverhältnismäßig langen Kälteperioden eher weniger zufriedenstellend verliefen, war Christian mit der diesjährigen Zuchtsaison bisher zufrieden und hatte bereits ca. 120 Junge beringt. In der Regel zieht er in einer guten Saison bis Ende April zwischen 200 und 250 Jungvögel. Eine bestimmte Familie schauten wir natürlich genauer durch, und zwar die seines Europasiegers. Mich persönlich interessierte besonders die Verbreitung der wunderschönen Stirnfeder, welche diesen grauen Hahn 2009 auszeichnete. Was sicher von Vorteil ist, war die Tatsache, dass diese Linie sehr fruchtbar ist und mittlerweile schon vier Generationen daraus vorhanden sind. Die Eltern, die Geschwister, deren Nachwuchs und die ersten Enkel saßen zum Teil in den Absetzflügen und Nistkästen. Die Anlagen stecken also gut verbreitet in der Zucht. Die Ausprägung dieser Stirnfeder scheint bei den 2011er Babys immer wieder durchzukommen.
Obwohl für Christian bei der Zuchtauswahl wie auch bei seiner Arbeit als Zuchtrichter der Gesamteindruck eines Vogels, d.h. alle Merkmale beachtet werden sollten, achtet er bei seiner Selektion der Jungvögel auf drei bestimmte Merkmale besonders. Schon sehr früh legte er größten Wert auf eine schöne Maske, sowohl oberhalb des Schnabels durch Selektion einer geschwungenen, möglichst kreisrunden Federwuchsrichtung als auch unterhalb des Schnabels durch eine nicht nur tiefe, sondern vor allem auch breite Maskenfeder. Nur auf dieser befindet sich nämlich genügend „Platz“ für möglichst große Kehltupfen, was für ihn das Tüpfelchen auf dem „i“ eines Schauvogels darstellt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei ihm in der Haltung und dem Schauverhalten eines Vogels. Ein Merkmal, auf das nach Christians Meinung heutzutage die Züchter viel zu wenig Wert legen, was ihm bei seiner Arbeit als Zuchtrichter immer wieder am meisten auffällt. Ein Vogel mit noch so herausragenden Typ- oder Körpermerkmalen steht oder fällt in der Gruppensieger- oder spätestens Schausiegerentscheidung, wenn er nicht über eine furchtlose und aufrechte Haltung bzw. über dieses gewisse „Gewinner-Gen“ im Verhalten verfügt, das ihn von der Konkurrenz abhebt.
Ein weiteres wichtiges Merkmal steckt vor allem in seiner Zimter-Familie. Wenn man diese Vögel in der Hand hat, fühlt es sich an als ob man es mit Seide zu tun hätte. Christian legt hier sehr großen Wert auf eine gut anliegende, weiche Deckfeder. Das nötige Volumen bringt eine dichte Daunenfeder, die sich schon im Nest vor dem Wachsen der eigentlichen Körperfedern zeigt, so dass man die besten Küken laut Christian schon sehr früh als weiße oder graue “Plüschbällchen“ ausmachen kann. Da er sehr wählerisch bei seiner Paarzusammenstellung vorgeht, sollte jeder der Partner über zumindest eines dieser Merkmale, das Paar als Gesamtbild aber am besten über alle drei genannten Komponenten verfügen, um zumindest die Chance zu haben, daraus den ein oder anderen „Zukunftsvogel“ zu züchten. Obwohl Christian eine Vorliebe für den normalen Farbschlag, vor allem mit den Faktoren für Grau und Violett hat, sorgen Zimter, Opaline, Austr.-Schecken - „wie kann es als IG Sprecher AS auch anders sein“-, Spangle, und seit kurzer Zeit auch einige Rez.-Schecken und Texas Clearbodies bei ihm für ein möglichst farbenprächtiges Gesamtbild in seinem Wellensittichbestand.

Leider ist es bei einem Züchterbesuch immer wieder so, dass die Zeit viel zu schnell vorbei geht. In diesem Fall waren es fünf Stunden, welche wie im Flug verstrichen. Wir hätten sicher noch viel mehr fachsimpeln und noch viele Vögel anschauen können, aber ich musste noch ein ganzes Stück fahren.

Christian, der Besuch war wirklich schön und was ich gesehen habe, hat mir gefallen. Vielen Dank für die Gastfreundlichkeit und weiterhin viel Freude mit dem Hobby Schauwellensittichzucht.

Verfasser:
Timo Harr
Forchenweg 1
78658 Horgen
Tel. 0170-2339281
timo.harr@t-online.de
www.timo-harr.de
www.Schauwellensittichzucht-harr.deTimo Harr • Forchenweg 1 •  Horgen